Römische Geschichte (Theodor Mommsen) – Die Provinzen von Caesar bis Diocletian

Im fünften Band der Römischen Geschichte haut uns Theodor Mommsen Fakten um die Ohren bis der Schädel brummt. Aber das Lesen macht Spass.

Meine Bewertung: 3/5 

Sensationslust und Geschichtsunterricht

Eines vorweg: Wer sich nicht wirklich für Geschichte und noch viel weniger für Römische Geschichte interessiert, wird das Buch nach wenigen Seiten gähnend zur Seite legen. Und wie es sich für ein wissenschaftliches Werk gehört, findet man Tonnen von Fussnoten. Nach etwa 100 Seiten habe ich allerdings aufgehört, diese auch noch zu lesen. Zu sehr stören sie den Lesefluss.

Briefmarke aus Paraguay zu Mommsen Römischer Geschichte
Briefmarke aus Paraguay zu Mommsen ‚Römische Geschichte‘. Credit: rook76 / Shutterstock.com

Wer allerdings ein Minimum an Interesse für die Welt vor 2000 Jahren mitbringt, kommt auf seine Kosten. Denn zum Glück hält sich Mommsen nicht an sein in der Einleitung formuliertes Credo, wo er von seiner Römischen Geschichte sagt:

«Im einzelnen fesselndes Detail, Stimmungsschilderungen und Charakterköpfe hat sie nicht zu bieten»

Na ja. Wenn folgender Abschnitt kein fesselndes Stimmungsbild ist, dann weiss ich auch nicht:

«[…] der gewaltige Ausbruch der Frühlings- und der Jugendlust, die nächtlichen Bergfeste fackelschwingender Mädchen, die rauschende sinnverwirrende Musik, der strömende Wein und das strömende Blut, der in Aufregung aller sinnlichen Leidenschaften zugleich rasende Taumel der Feste.»

Theodor Mommsen über die Feste der Thraker

Ein Weltreich

Schon beim Überfliegen des Inhaltsverzeichnis wird wieder einmal bewusst, wie riesig das damalige Römische Reich war. Das Buch dreht zuerst eine Runde durch Europa und wendet sich dann nach Südosten:

KAPITEL 1. Die Nordgrenze Italiens
KAPITEL IT. Spanien
KAPITEL III. Die gallischen Provinzen
KAPITEL IV. Das römische Germanien und die freien Germanen
KAPITEL V. Britannien
KAPITEL VI. Die Donauländer und die Kriege an der Donau
KAPITEL VII. Das griechische Europa
KAPITEL VIII. Kleinasien
KAPITEL IX. Die Euphratgrenze und die Parther
KAPITEL X. Syrien und das Nabataeerlaud
KAPITEL XI. Judaea und die Juden
KAPITEL XII. Aegypten
KAPITEL XIII. Die africanischen Provinzen

Statue von Julius Cäsar
Statue von Julius Cäsar. Credit: Aaron Wood / Shutterstock.com

Dabei geht es grob um die römische Kaiserzeit, die Zeit zwischen Caesars Machtergreifung im 1. Jahrhundert vor Christus und dem Ende des 3. Jahrunderts nach Chr. Was auffällt, ist dass Mommsen die meisten Geschehnisse von den Fähigkeiten bzw. der Unfähigkeit politischer und vor allem militärischer Führer her deutet. Vom Alltag der Menschen erfährt man eher wenig, wobei sich das kaum nur durch fehlende Quellen erklären lässt. Vielmehr trieft aus allen Seiten eine unverholene Bewunderung für starke Führer und Helden.

Münzen von römischen Kaisern
Münzen von römischen Kaisern. Credit: Chris Hill / Shutterstock.com

Als Schweizer war ich natürlich besonders gespannt, was gemäss Mommsen vor 2000 Jahren in den Alpen abging.

Mommsen und die Schweizer

Ok, ok, technisch gesehen gab es damals keine Schweiz und keine Schweizer, sondern nur Helvetier und Rätier, die unter anderem auf dem Gebiet der heutigen Schweiz siedelten.

Aber nach den überaus liebevollen Worten, mit denen Mommsen während seiner Zeit an der Universität Zürich die Schweizer zu würdigen wusste, ahnte ich schon Böses. Und tatsächlich, Schweiz-Hasser werden von ihm nicht enttäuscht:

«Das Hochland der Alpen mit den Thälern […] des oberen Rheins umschloß eine schwache und eigenartige Bevölkerung»

Viel mehr fiel ihm dazu nicht ein, und so habe ich mich halt einfach vom Buch durch die anderen Regionen und Jahrhunderte treiben lassen.

Roman Theater of Orange
Römisches Theater von Orange. Credit: jeafish Ping / Shutterstock.com

Rassismus

Auch ansonsten hält der gute Theodor mit seinen rassistischen Ansichten über andere Völker nicht hinter dem Berg. Und ich vermute, dass solche Stellen schon damals eher weniger als mehr akzeptabel waren:

«…die Bevölkerung [Syriens] war aramaeisch; sie erinnert vielfach an die heutigen Rumänen gegenüber den vornehmen Sachsen und Magyaren. Sicher waren sie das verderbteste und das verderbendste Element in dem römisch-hellenischen Völkerconglomerat.»

Überraschend ist, dass Mommsen sich in diesem Buch sehr kritisch zu den Juden vor allem im ersten Jahrhundert äussert. Gleichzeitig war er aber in Deutschland als Politiker eine der lautesten Stimmen gegen Antisemitismus.

Fazit zu ‚Römische Geschichte‘

Fairerweise reicht ein Fazit aus, es braucht mehrere.

Aus wissenschaftlicher Sicht kann ich vor dem Mann nur den Hut ziehen. Er hat unzählige Quellen erschlossen und daraus ein unglaublich detailliertes Geschichtsbuch geschrieben. Und selbst 150 Jahre später ist er immer noch derart relevant, dass zum Beispiel der Wikipedia-Artikel über die Varusschlacht Theodor Mommsen nicht weniger als 7 mal zitiert.

Aber Literaturnobelpreis? Ich weiss nicht so recht. Klar, Mommsen schreibt süffig. Reicht das, um als Literat durchzugehen? Er entwirft ja keine Figuren, schafft keine Spannungsbögen. Er erzählt einfach, was seiner Quellen und Meinung nach Sache war.

Und so bleibt die quälende Frage: Was unterscheidet die ‚Römische Geschichte‘ aus literarischer Sicht von einem gut geschriebenen Geschäftsbericht einer Schweizer Bank?

Vielleicht die wunderschönen Karten im Anhang:

Karte Galliens
Karte Galliens. Theodor Mommsen, Römische Geschichte
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