
Nobelpreis: 1902
Von ihm findest Du weder phantasievolle Romane noch bedeutungsschwangere Novellen. Theodor Mommsen war nämlich Historiker.
Und auch wenn er statt eines Dichters ein nerviger Zeitgenosse war, eines muss man ihm lassen: schreiben konnte der Mann. Wenn alle Sachbücher so süffig geschrieben wären wie seine ‚Römische Geschichte‚, hätte ich an der Universität doppelt soviel Spass gehabt.
Seiteninhalt
Theodor Mommsens Leben
Geboren am 30. November 1817 und aufgewachsenen in eher einfachen Verhältnissen in einer norddeutschen Pfarrfamilie, begeisterte Mommsen sich schon früh für die Antike. Das Fach ‚Alte Geschichte‘ gab es damals noch kaum, darum studierte er Rechtswissenschaft.
Nach dem er seinen Doktortitel in der Tasche hatte, spezialisierte er sich zunehmend auf Römisches Recht. Dies lieferte ihm das willkommene Deckmäntelchen, um sich seiner wahren Leidenschaft, der Römischen Geschichte, zu widmen.

Da er in der Folge gleichzeitig auch mit seinen liberalen politischen Ansichten nicht hinter dem Berg hielt, flog er 1851 von der Uni und verlor seine Stelle als Professor in Leipzig.
Zur Hilfe kamen ihm die Schweizer. Die Universität Zürich bot ihm 1852 den neu geschaffenen Lehrstuhl für Römisches Recht an. Dankbarkeit war jedoch nicht so seine Sache. So lästerte er in einem Brief:
Die [Schweizer] gehören zum Froschgeschlecht, und man muss Gott danken, wenn sie Hochdeutsch sprechen und eine Serviette auf den Tisch legen.
Als Schweizer nehme ich so was natürlich überhaupt nicht persönlich. Soll er sich doch schleichen wenn es ihm nicht passt und anderen auf den Wecker gehen. Das tat er dann auch schon nach nur zwei Jahren, als ihm die Uni Breslau einen Lehrstuhl anbot.

Auch dort scheint er sich mit seinem umwerfenden Charme bei den Studenten sehr beliebt gemacht zu haben, unter anderem mit folgendem Spruch:
Die meisten stinken, alle sind faul.
Schliesslich schaffte er es dann doch noch nach Berlin, an die Friedrich-Wilhelms-Universität. Aber auch dort war er bei seinen Student extrem unbeliebt und galt als miserabler Dozent, der sich lieber seiner Forschung als dem Unterricht widmete.

Im Gegensatz dazu genossen seine wissenschaftlichen Publikationen weltweit höchstes Ansehen, und er galt als der grösste Kenner der Römischen Geschichte. Er pflegte diesen Ruf eifrig und sorgte dafür, dass er selber in den Medien präsent bleibt.
Auch als Politiker war er während über 20 Jahren aktive und erfolgreich und sass als Vertreter von liberalen Parteien unter anderem im Reichstag des Deutschen Kaiserreichs. Auch machte er sich einen Namen mit seinem Kampf gegen den Antisemitismus.
Das Jahr 1902
Schwer zu sagen, was Historiker dereinst über das Jahr 1902 sagen werden. Aus heutiger Sicht interessant:
- Die türkische Regierung verschärft die Diskriminierung der armenischen Minderheit und verbietet an deren Schulen den muttersprachlichen Unterricht. In Mommsens ‚Römischer Geschichte‘ lässt sich übrigens nachlesen, wie die Armenier schon vor 2000 Spielball der Machtansprüche mächtiger Nachbarn waren.
- Der Film ‚Die Reise zum Mond‘, ein Klassiker und einer der ersten Science-Fiction-Filme, wird uraufgeführt.
- In Detroit wird der Autohersteller Cadillac gegründet.

- Ein Deutscher patentiert den Tachometer.
- Theodor Herzl veröffentlicht seinen Roman ‚Altneuland‘, dessen Titel ‚Tel Aviv‘ der hebräischen Ausgabe 8 Jahre später der Grossstadt im heutigen Israel seinen Namen geben sollte.
Literaturnobelpreis
Wie es dazu kam, dass einem Historiker der Nobelpreis für Literatur verliehen wurde, ist aus heutiger Sicht kaum mehr nachvollziehbar. Umso mehr, als dies ausdrücklich nicht etwa für sein Gesamtwerk, sondern speziell für die Römische Geschichte geschah:
„dem gegenwärtig größten lebenden Meister der historischen Darstellungskunst, mit besonderer Berücksichtigung seines monumentalen Werkes ‚Römische Geschichte‘“
Immerhin, wie schon erwähnt hat Mommsen ein grosses sprachliches Talent, und insbesondere die Römische Geschichte ist spannend und zuweilen süffisant geschrieben.

Bücher von Theodor Mommsen
Mommsen hat während seinem Leben über 1500 Fachartikel und Bücher geschrieben. Auch Heute noch relevant sind zum Beispiel seine Werke zum Römischen Staatsrecht oder zum Römischen Strafrecht.
Beim breiten Publikum bekannt wurde er jedoch mit seinen Büchern zur Römischen Geschichte. Zwischen 1854-1856 schrieb er die ersten drei Bände, welche detailliert die Geschichte von den Anfängen Roms und der römischen Republik bis zur Herrschaft von Julius Cäsar schildern.
Mommsens unverhohlene Bewunderung für den römischen Diktator und starke Männer überhaupt trieft aus allen seinen Zeilen. Das steht in einem interessanten Kontrast zu seinem politischen Engagement als protestantischer Liberaler.
Einen vierten Band der Römischen Geschichte gab es übrigens nie, und erst dreissig Jahre später veröffentlichte er einen fünften Band, der die Geschichte der römischen Provinzen während der Kaiserzeit darstellt. Letzteren habe ich für meine Lektüre ausgewählt.