
Nobelpreis: 1901
Hast Du schon mal von Sully Prudhomme gehört? Nein? Kein Wunder, viele Franzosen nämlich auch nicht. Und das, obwohl er der erste Gewinner des Nobelpreises für Literatur überhaupt war.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren er und seine romantischen Gedichte in Frankreich durchaus beliebt. Übersetzt wurde er hingegen kaum, und ohne Internet wäre es schwierig, Heute an seine Bücher zu kommen.
Ob mein Französisch gut genug ist, um seine Poesie Stances et Poèmes zu verstehen?
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Sully Prudhommes Leben
Geboren am 16. März 1839 in Paris, hieß Sully Prudhomme eigentlich René François Armand Prudhomme. Mit einem goldenen Löffel im Mund zur Welt gekommen, konnte er es sich leisten, die Schule gleich mit einer doppelten Reifeprüfung abzuschließen; sowohl in altsprachlich-literarischer wie auch in naturwissenschaftlicher Richtung.

Zuerst versuchte er Ingenieur zu werden, studierte dann aber doch lieber Rechtswissenschaft. Als Anwalt war es ihm aber offenbar auch schnell langweilig. Da Prudhomme bereits zuvor Gedichte geschrieben hatte, und da er es dank dem Vermögen seiner Familie sowieso nicht nötig hatte, für Geld zu arbeiten, beschloss er Schriftsteller zu werden.
Und damit war er recht erfolgreich, zumindest in Frankreich. Er gab mehrere Gedichtbände heraus, sein erster Stances et poèmes. Mit der Zeit entwickelte er sich weiter, weg von den sentimental-romantischen Gedichten der Anfangszeit zu einer etwas kühleren ästhetischen Poesie im Stile der Parnassiens.

Auch seine philosophischen Essays waren beliebt. Die Teilnahme am Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 ruinierte zwar seine Gesundheit, aber seine Erinnerungen „Impressions de la guerre“ (1872) und „La France“ (1874) festigten seinen Ruf als wichtigen nationalen Schriftsteller weiter. 1881 wurde er in die Académie française aufgenommen.
Er verstarb am 6. September 1907 zurückgezogen im kleinen französischen Ort Châtenay-Malabry.
Sully Prudhomme blieb sein Leben lang ledig. Angeblich soll dies das Resultat einer unglücklichen Liebe und eines gebrochenen Herzens in jungen Jahren gewesen sein. Aber zumindest hielt das anbrechende 20. Jahrhundert für ihn noch Erfreuliches bereit.
Das Jahr 1901
1901 war gar nicht ohne:
- Es war das Jahr, in dem Der Staat Australien gegründet wurde.

- Eine gewisse Annie Edson Taylor stürzte sich in einem Fass über die Klippen der Niagarafälle und überlebt als erster Mensch den tiefen Fall.
- Der Schriftsteller Leo Tolstoi wurde wegen angeblicher Blasphemie aus der russisch-orthodoxen Kirche ausgeschlossen.
- Im Herbst des gleichen Jahres wurde Theodor Roosevelt Präsident der Vereinigten Staaten, nachdem sein Vorgänger ermordert wurde.
- In China, Lateinamerika, Asien und Afrika verteidigen die Kolonialmächte mit verbissener Waffengewalt ihre Interessen. Vorerst mit Erfolg.
Und 1901 war schliesslich auch das Jahr, in dem zum ersten Mal die Nobelpreise vergeben wurde. Der für Physik ging zum Beispiel an Wilhelm Conrad Röntgen. Ja, der mit den Röntgenstrahlen. Und damit wären wir auch schon beim…

Literaturnobelpreis
Dass der Preis an Prudhomme ging, war eine riesige Überraschung. Favorit war nämlich, und jetzt halte Dich fest:
Leo Tolstoi
Wie es dazu kommen konnte, dass unser sensibler Franzose den Preis abräumte und der unsterbliche Verfasser von „Krieg und Frieden“ leer ausging, ist im Rückblick schwer nachvollziehbar. Unbekannt ist auch, ob Tolstoi überhaupt Wert auf den Preis gelegt hätte.
Die offizielle Begründung:
„als Anerkennung seiner ausgezeichneten, auch noch in späteren Jahren an den Tag gelegten Verdienste als Schriftsteller und besonders seiner Dichtungen, die hohen Idealismus, künstlerische Vollendung und eine seltene Vereinigung von Herz und Geist bezeugen“
Na ja. Sicher ist, dass sich die Literaturgeschichte am Nobelpreiskomitee gerächt hat. Tolstoi stieg zu einem der meistgelesenen Dichter auf. Prudhomme verschwand in der Versenkung.
Bücher von Sully Prudhomme
Prudhommes Bedeutung war schon damals, als er den Nobelpreis bekam, ausserhalb von Frankreich eher bescheiden. Darum finden sich auch kaum Übersetzungen seiner Werke.
Mit etwas Glück findet man antiquarisch eine deutsche Übersetzung aus den sechziger Jahren von „Intimes Tagebuch und Gedanken“, etwa auf eBay oder Amazon.
Falls man sich an eine französische Ausgabe heranwagen will, empfehle ich unbedingt eine alte Ausgabe zu suchen. Man findet im Internet zwar einige neuere Titel. Dabei handelt es sich jedoch häufig um lieblos zusammengeklatschte Kopien von im Internet zugänglichen gescannten Versionen, kaum redigiert, voller Schreibfehler und nicht gelayoutet. Finger weg!
Für meine Mission Nobelpreisträger habe ich das Buch Stances et Poèmes ausgesucht.